Hört sich der Funksong an, als ob er in einem Wohnzimmer oder einer Kathedrale eingespielt wurde? Befinde ich mich näher am Sänger oder an der Orgel? Wie weit stehen die Instrumente von mir entfernt? All das lässt sich mit der Tiefenstaffelung gestalten.
Eine der wichtigsten Aufgaben beim Abmischen von Musik ist die Tiefenstaffelung. Diese bezieht sich auf den räumlichen Eindruck der Instrumente in Bezug zum Hörer. Im Mixing gibt es viele Möglichkeiten, Instrumente im virtuellen Raum nach vorn, hinten oder zu den Seiten zu bewegen. Hierfür stehen uns viele verschiedene Audioeffekte zur Verfügung. Auch die Größe und Gestaltung des Raumes, in dem die Musik spielt, können wir durch Mixing im Detail beeinflussen. In diesem Artikel bekommst du einen Überblick zu meinen sechs wichtigsten Techniken für eine authentische Tiefenstaffelung.
1. Pegel
Die offensichtlichste Möglichkeit der Tiefenstaffelung findest du direkt im Pegel deines Instruments. Mit dem Fader kannst du im Mixer deiner DAW Instrumente nach vorn und hinten bewegen, indem du sie lauter oder leiser machst. Der Fader ist in Dezibel skaliert, einer logarithmischen Skala. Hierbei entsprechen rund 6 dB einer Verdopplung bzw. Halbierung der wahrgenommenen Lautstärke. Steht dein Regler also beispielsweise bei -4 dB, dann kannst du das Signal halb so laut machen, indem du ihn auf -10 dB setzt.
2. Höhen und Tiefen verändern
Steht eine Schallquelle nah am Hörer, klingt sie nicht nur lauter, sondern es lassen sich mehr tiefe und hohe Frequenzen wahrnehmen. Diesen physikalischen Zusammenhang können wir in der Tiefenstaffelung ausnutzen: Um ein Signal nah zum Hörer heranzuholen, hebe ich die hohen und tiefen Frequenzen im Equalizer leicht an. Schon 2-3 dB mit einem Lowshelf und Highshelf Filter lassen das Instrument viel näher wirken. Meist füge ich außerdem in den hohen Mitten ein oder zwei glockenförmige Anhebungen hinzu, die dem Sound etwas mehr Charakter geben. Besonders färbende Equalizer, beispielsweise der SSL e-Channel von Waves ist dafür hervorragend geeignet.
Um ein Instrument weiter in den Hintergrund zu bewegen, nehme ich entsprechend Höhen und Tiefen weg. Das funktioniert mit einem Lowcut und Highcut am sichersten. Für die Tiefenstaffelung eignet sich hier eine sanfte Flankensteilheit, beispielsweise von 12 oder 24 dB pro Oktave. Hierbei schaue ich mir im Frequenzspektrum genau an, wo genau das Signal beginnt und endet. In diesem Bereich genügt es oft schon, die Enden leicht zu beschränken, damit das Signal nach hinten wandert. Mit einem leichten High- und Lowshelf kann ich das Frequenzspektrum zusätzlich zur Mitte hin glätten.
3. Transienten in der Tiefenstaffelung
Die Transienten, also die ersten Millisekunden jedes Instrumentenanschlags, haben einen großen Einfluss auf die Tiefenwahrnehmung. Steht das Instrument weiter vorn, werden mehr Transienten hörbar. Nehme ich hingegen Transienten weg, bewegt sich das Instrument automatisch in den Hintergrund.
Um das zu realisieren, nutze ich gern einen Envelope-Shaper. Cubase enthält einen sehr guten eigenen Envelope-Shaper. Aber auch beispielsweise der Transient Master von Native Instruments ist hierfür ein tolles Tool. Darin führt die Veränderung des Attack-Reglers am schnellsten zum gewünschte Ergebnis. Auch der Hold-, Sustain- oder Release-Parameter kann hierbei hilfreich sein, um das Signal voller oder dünner/kürzer klingen zu lassen.
Alternativ kann ein Kompressor hier ebenfalls Wunder bewirken. Bei starker Kompression ist der Effekt am deutlichsten hörbar. Wenn der Kompressor eine lange Attack-Zeit hat, werden die Transienten viel lauter und deutlicher hörbar. Das Instrument wandert in den Vordergrund. Mit einer kurzen Attackzeit und/oder weniger Kompression können die Transienten weniger hörbar werden.
4. Obertonspektrum
Dass die Höhen lauter werden, wenn sich das Instrument näher am Hörer befindet, lässt sich nicht nur mit Equalizern umsetzen, sondern beispielsweise auch mit Saturation oder Distortion. Durch viele Verzerrungsarten wie beispielsweise Clipping oder Bitcrushing werden dem Signal Obertöne hinzugefügt. Das Spektrum gewinnt an Höhen. Dadurch klingt es lauter und fühlt sich näher an. Ich nutze hierfür gern Multiband-Distortion-Effekt – beispielsweise Cubase Quadrafuzz v2 oder Fabfilter Saturn. Darin habe ich die Möglichkeit, mir die genauen Frequenzbänder festzulegen, die ich verzerren will. Wenn mein Instrument den Hauptteil seiner Energie in den tiefen Mitten hat, muss ich sehr stark verzerren, um den gewünschten Effekt in den Höhen zu bekommen. Das zerstört den Klang des Instruments oft. Hierbei lohnt es sich, nur die höheren Frequenzen anzuzerren, damit die tiefen Mitten warm und sauber bleiben.
5. Untertonspektrum
Auch die Frequenzen unterhalb der Grundfrequenz lassen sich nutzen, um das Instrument heranzuholen. Wenn dort an sich erstmal nichts ist, können mit verschiedenen Effekten Untertöne hinzugefügt werden. Beispielsweise der Waves LoAir nimmt die tiefsten Frequenzen des Signals und spiegelt sie nochmal in den Bassbereich. Beispielsweise klingt im Film „Der Hobbit“ die Stimme des Drachen Smaug so voluminös, weil ich Untertöne hinzugefügt wurden. Das erzeugt viel Nähe zum Klang. Diesen Effekt setze ich aber sehr sparsam ein, um den Bassbereich im Mix nicht zu überladen. Da kann es schnell „mulmig“ werden.
6. Raumgestaltung mit Hall und Delay
Hall und Delay geben uns in der Tiefenstaffelung die Möglichkeit, nicht nur einzelne Instrumente nach vorn und hinten zu bewegen, sondern auch den Raum selbst zu gestalten. Befinde ich mich beispielsweise in einem großen Tunnel mit glatten Wänden, dann sind die Reflexionen im ganzen Frequenzspektrum vorhanden und es gibt mehrere gestaffelte Echos. Der Hall hierbei hätte entsprechend ein recht hohes Predelay. Das ist die Verzögerung der Hallfahne, also ein zeitlicher Versatz, mit dem die ersten Reflexionen wieder bei mir ankommen. Außerdem sind die Wände ziemlich glatt, es gibt also kaum Diffusion. Der Raum selbst ist groß, aber nicht riesig. Und die meiste Energie liegt in den tiefen Mitten – dort klingt der Hall also am vollsten. All das lässt sich in den meisten Hall-Plugins einstellen. Zusätzlich brauchen wir die Echos von den Tunnelwänden. Die lassen sich beispielsweise mit einem Delay-Effekt hinzufügen. Je lauter ich im Tunnel klatsche, desto mehr Echos werde ich von den Wänden hören. Das stelle ich beispielsweise im Feedback des Delay-Effekts ein. Hiermit lässt sich also auch die gefühlte Lautstärke des Instruments beeinflussen.
Befindet sich ein Instrument nah bei mir, werde ich viel Direktsignal hören – also ohne Hall und Delay. Das erreichst du, indem du den Mix des Halls und Delays in die trockene (Dry) Richtung verschiebst bzw. den Pegel des Instruments erhöhst. Wie laut das Instrument klingt und wie viel es vom Raum einnimmt, kann ich durch die Dosierung des Halls und Delays festlegen. Dadurch hast du einige Gestaltungsmöglichkeiten an der Lautstärke und Nähe zum Instrument, aber auch am virtuellen Raum selbst.
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